Sonderausgabe CONORA Pandemie 2020

– 3 – Sonderausgabe 01 | 2020 (4) Der behandelnde Arzt und die zur Pflege bestimmten Personen ha- ben freien Zutritt zu abgesonderten Personen . ... In einem solchen Fall richtet sich – zu- mindest was die nicht infizierten Arbeit- nehmer, die von der Quarantäne betrof- fen sind, angeht – die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber nicht nach den Normen des EFZG, weil die gesund- heitsbehördliche Anordnung einer Qua- rantäne per se keine Krankheit nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG darstellt und dieser auch nicht gleichzusetzen ist. Vielmehr hilft den betroffenen Arbeit- nehmern hier die Regelung des § 616 Abs. 1 S. 1 des Bürgerlichen Gesetz- buchs (BGB) in Verbindung mit § 30 IfSG weiter. Danach verliert der Arbeitneh- mer seinen Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber nicht dadurch, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden für eine verhält- nismäßig nicht erhebliche Zeit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung ver- hindert wird. Eine solche Verhinderung und damit ein Entgeltfortzahlungsan- spruch gegen den Arbeitgeber ist bei einem Tätigkeitsverbot aufgrund be- hördlicher Maßnahmen nach dem IfSG gegeben (grundlegend: BGH-Urteil vom 30.11.1978, Az. III ZR 43/77). 2.3 Ersatz des Verdienstausfalls für Freiberufler/Selbstständige? Bei Quarantänemaßnahmen oder In- fektionen, die Selbstständige als Anste- ckungs- oder Krankheitsverdächtige oder Träger von Krankheitserregern betreffen, richten sich etwaige Erstat- tungsansprüche auf Verdienstausfall schon begrifflich nicht nach dem EFZG. Diesem Personenkreis fehlt die Arbeit- nehmereigenschaft. Zudem ist kein Ar- beitgeber als Anspruchsgegner vor- handen. In einem engen Anwendungs- bereich kann aber diesen Betroffenen § 56 IfSG weiterhelfen. Voraussetzung für einen solchen An- spruch ist aber dem Grunde nach, dass der oder die Selbstständige von der An- ordnung eines gesundheitsbehördli- chen Beschäftigungsverbots (z. B. we- gen Verdachts auf Infektion mit dem Corona-Virus) zunächst betroffen ist und innerhalb einer Frist von drei Mo- naten nach Anordnung des Beschäfti- gungsverbots einen Antrag auf Ent- schädigung bei der anordnenden Ge- sundheitsbehörde stellt. ◼◼ § 56 Abs. 1 und Abs. 2 Infektionsschutzgesetz (1) Wer aufgrund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdäch- tiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krank- heitserregern i. S. d. § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unter- liegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall er- leidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider oder Anste- ckungsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausschei- dern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können. Eine Entschädigung nach den Sätzen 1 und 2 erhält nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maß- nahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, ein Verbot in der Ausübung seiner bis- herigen Tätigkeit oder eine Abson- derung hätte vermeiden können. (2) Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls ge- währt. Vom Beginn der siebenten Woche an wird sie in Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetz- buch gewährt, soweit der Ver- dienstausfall die für die gesetzliche Krankenversicherungspflicht maß- gebende Jahresarbeitsentgelt- grenze nicht übersteigt. Und in den Absätzen 3 bis 5 heißt es weiter: ◼◼ § 56 Abs. 3 bis Abs. 5 Infektionsschutzgesetz (3) … Die Sätze 1 und 3 gelten für die Berechnung des Verdienstausfalls bei den in Heimarbeit Beschäftig- ten und bei Selbstständigen ent- sprechend mit der Maßgabe, dass bei den in Heimarbeit Beschäftig- ten das im Durchschnitt des letzten Jahres vor Einstellung der verbote- nen Tätigkeit oder vor der Abson- derung verdiente monatliche Ar- beitsentgelt und bei Selbstständi- gen ein Zwölftel des Arbeitsein- kommens (§ 15 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch) aus der ent- schädigungspflichtigen Tätigkeit zugrunde zu legen ist. (4) Bei einer Existenzgefährdung kön- nen den Entschädigungsberechtig- ten die während der Verdienstaus- fallzeiten entstehenden Mehrauf- wendungen auf Antrag in ange- messenem Umfang von der zu- ständigen Behörde erstattet wer- den. Selbstständige, deren Betrieb oder Praxis während der Dauer ei- ner Maßnahme nach Absatz 1 ruht, erhalten neben der Entschädigung nach den Absätzen 2 und 3 auf An- trag von der zuständigen Behörde Ersatz der in dieser Zeit weiterlau- fenden nicht gedeckten Betriebs- ausgaben in angemessenem Um- fang. (5) Bei Arbeitnehmern hat der Arbeit- geber für die Dauer des Arbeitsver- hältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Im Übrigen wird die Entschädigung von der zuständigen Behörde auf Antrag gewährt. … 2.4 Der Betrieb schließt seine Pforten – was nun? Stellt der Betrieb des Arbeitgebers die Tätigkeit ein, sind folgende Fallkonstel- lationen in Hinblick auf den Entgeltfort- zahlungsanspruch des Arbeitnehmers zu unterscheiden: • • Schließt der Arbeitgeber den Be- trieb aus eigenem Antrieb, bei- spielsweise um seine Belegschaft zu schützen, so trägt er nach den Grundsätzen der Betriebsrisiko- lehre das Vergütungsrisiko. Dies gilt (nach dem Rechtsgedanken des § 615 S. 3 BGB entnommenen Grundsätzen) auch dann, wenn die Störung – wie im Fall des Corona- Virus – nicht aus einer vom Arbeit- geber beeinflussbaren Gefahren- sphäre stammt (vgl. BAG-Urteil vom 9.7.2008, Az. 5 AZR 810/07). • • Anders sieht es aus, wenn die zu- ständige Gesundheitsbehörde und nicht der Arbeitgeber selbst die Schließung des Betriebs anordnet. In solchen Fällen verbleibt es bei der gesetzlichen Risikoverteilung (nach den §§ 275, 326 Abs. 1 BGB), sodass der Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung zwar frei wird, aber auch seinen Vergütungsanspruch gegenüber

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